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7 Fragen an Jürgen Drensek – Reiseradio.org

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Jürgen Drensek hat in über 30 Jahren Reisejournalismus schon so einiges erlebt – und 12 Jahren lang als Vorsitzender der „Vereinigung Deutscher Reisejournalisten“ (VDRJ) viele Entwicklungen mitgeprägt. Gleichzeitig ist der Ehrenpräsident der Berufsvereinigung nicht nur TV-Produzent, sondern testet mit seinem wöchentlichen Podcast „Was mit Reisen“, der sich an die Profis im Tourismus wendet, die Möglichkeiten des Internet für sich aus. Ein Gespräch über die Reiseblogger-Szene, ethische Guidelines und die Zukunft des Reisejournalismus.

Reiseblogger haben sich jetzt einen Kodex gegeben, finden Sie das notwendig oder eher egal?

Ich finde es immer sinnvoll, wenn man sich einen Kodex gibt – noch besser ist, wenn man sich an einen Kodex auch hält. Es ist gut, dass Reiseblogger sich nun Guidelines geben, die ja im Prinzip journalistischen Standards entsprechen. Wichtig ist, dass man als Blogger erkennt: Die Zeit der Unschuld ist vorbei. Sobald ich kommerziell erfolgreich sein will, muss ich Kompromisse bei der Unabhängigkeit eingehen. Geld wird niemandem hinterhergeworfen. Damit sind immer Erwartungen verknüpft.

Welche Erwartungen sollten das sein, und wie sieht die Realität aus?

Jeder Journalist würde natürlich lieber unabhängig reisen, jedoch lassen das vor dem Hintergrund der niedrigen Honorare die eigenen Budgets in der Regel nicht zu. Und die meisten medialen Auftraggeber wollen Reisekosten nicht übernehmen. Weil die touristische Industrie aber ein naturgemäßes Interesse an redaktioneller Berichterstattung hat, schafft sie durch Recherche-Einladungen ihre eigene Voraussetzung. Das ist die – natürlich suboptimale – Ausgangslage. Im Kodex der VDRJ steht jedoch, dass wir uns bei Einladungen niemals verpflichten, ob und wie wir hinterher berichten.

Je nachdem, für welches Medium ein Autor schreibt, wird dies natürlich unterschiedlich umgesetzt. Vor allem ein freier Journalist mit eher bescheidener Verbreitungsmöglichkeit fühlt sich psychologisch vielleicht mehr dem Einladenden verpflichtet, als eine Edelfeder einer großen Wochenzeitung…

Wenn ich eingeladen werde, bin ich dankbar im Sinne einer guten Erziehung. Aber im Professionellen darf man nie vergessen, dass der Einladende es nicht altruistisch tut. Redaktionelle Berichterstattung mit ihrer implizierten Glaubwürdigkeit ist ein teures Gut. Im Vergleich zu klassischer Werbeschaltung sind die Kosten für den Aufwand einer Pressereise geradezu extrem günstig. Das wissen auch professionelle PR-Experten. Man muss also nicht zu dankbar sein… Nur eines darf man nicht: glauben, hier würde sich ein großes Büffet für Gratis-Urlaub anbieten. Es wird schnell durchschaut, ob ein Autor, egal ob Blogger oder klassischer Journalist, ein Interesse am Thema hat oder nur ein Schnorrer ist.

Gibt es da nicht Probleme mit der Glaubwürdigkeit, wenn man eingeladen wird?

Das Problem, ob ein Blogger generell seine Integrität verliert – nur weil er durch einen touristischen Partner eingeladen wird, und damit überhaupt erst die Möglichkeit bekommt, darüber zu berichten – ist nicht das virulente Thema.  Der entscheidende Punkt ist: Ich lasse mich nur dahin einladen, wenn ich weiß, dass das Thema mich interessiert, und es vor allem meine Zielgruppe interessiert. Der Einladende weiß dann auch, dass er nur einen Artikel erwarten kann, der in dieses Genre, zu dieser Zielgruppe passt.

Als Blogger ist gar nicht so wichtig, wie eine Geschichte zustande kommt, ob auf Einladung oder nicht – sondern die Frage muss sein: Ist sie relevant für die Zielgruppe, die ich erreichen will? Dann stellen sich auch weniger diese moralischen Unsicherheiten, denn ich betone noch einmal: Eine Einladung ist immer nur die Ermöglichung einer Recherche, und keine Verpflichtung für eine positive Berichterstattung.

Man sollte am Ende des Artikels einen kurzen Hinweis geben, durch welche Umstände die Arbeit ermöglicht wurde. Das fordert auch die VDRJ, und es wird bei Verlagen mehr und mehr Standard. Der Leser eines seriösen Mediums und eines etablierten Blogs weiß aber trotzdem, dass der Autor nicht seine Meinung aufgegeben hat. Und dies muss dann auch nicht zusätzlich erwähnt werden.

Wie ist das bei Beiträgen, die tatsächlich bezahlt werden?

Wenn Geld für eine Berichterstattung fließt, dann haben wir es nicht mehr mit Journalismus zu tun, sondern mit Corporate Publishing. Journalismus wird nie von demjenigen bezahlt, über den man berichtet. Wenn eine Lohnschreiberei gegen Geld vereinbart wurde, dann muss das dem Leser sehr deutlich gemacht werden.

„Unabhängigkeit“ ist eines der zentralen Argumente, mit denen Blogger angetreten sind – und deshalb reagieren Internet-Leser sehr empfindlich, wenn sie das Gefühl bekommen, dass ein Blogger nur noch ein Schönschreiber der Industrie ist. Und deshalb sollte ein Autor ganz genau drauf achten, dass er auch bei bezahlten, gekennzeichneten Advertorials nichts tut, was gegen seine Überzeugung ist.

Es entsteht dann ein Problem, wenn ich Dinge als toll beschreibe, für die ich bezahlt wurde, dieses aber nicht nach außen deutlich mache. Das ist der Todesstoß für jeden Blogger, wenn die Glaubwürdigkeit auf der Strecke bleibt.

Sehen Sie Blogger als Konkurrenz zum traditionellen Reisejournalismus oder eher als Bereicherung?

Ein Blogger ist bisher oftmals eher eine Art Reporter, der subjektiv berichtet, was er erlebt. Ein klassischer Journalist ist ein Einordner – er sieht etwas, vergleicht es und versucht, es einzuschätzen. Es gibt eine Bereicherung für beide Seiten: Journalisten erkennen, dass der persönliche Kontakt, die vertrauensvolle Nähe zum Empfänger der medialen Botschaft immer wichtiger wird; dass man sich als Marke etablieren muss. Berichterstattung ohne Empathie scheint überholt. Man muss sich neue Formen überlegen; vielleicht sich auch bewusst verletzlich machen als Journalist: etwa für seine Meinung einzustehen, sich nicht zurückzuziehen hinter verschwurbelten Formulierungen. Blogger dagegen können von Journalisten Struktur lernen, also das Einordnen von Erlebnissen durch Fachwissen.

Es gibt sicherlich eine gewisse Verwunderung bei manchen Journalisten über die große Aufmerksamkeit, die Blogger momentan als Pioniere dieser neuen Medien bekommen – ohne dass diese Aufmerksamkeit immer inhaltlich berechtigt wäre. Dazu kommt, dass auch viele Reisejournalisten nur von dieser Arbeit nicht leben können und natürlich Existenzangst haben, wenn der Kuchen noch kleiner wird.

Aber sind Reiseblogs und traditionelle Berichte überhaupt vergleichbar; nicht zwei unterschiedliche Produkte?

Nein, sie sind nicht vergleichbar. Traditionelle Medien müssen immer ein weites Spektrum haben und haben meistens nicht diese klar begrenzte Zielgruppe. Mit meinem Reiseradio-Podcast zeige ich das ja anschaulich: Im klassischen Radio könnten die Beiträge in dieser Art und Ausführlichkeit niemals laufen, aber für die Touristikbranche sind sie eine Goldader. Das ist mein USP. Und daraus generiere ich auch einen (zugegeben noch kleinen) Teil meines Einkommens.

Interessant wird es, wenn mehr und mehr Journalisten mit ihrem professionellen Hintergrund das Internet als Medium für sich entdecken und ein gesunder Konkurrenzkampf entsteht.

Aber man braucht ja auch eine Kompetenz, mit den neuen Möglichkeiten und Anforderungen des Internet technisch, stilistisch wie auch inhaltlich umzugehen, und daraus etwas Stimmiges zu machen…

Ja, natürlich. Ein Beispiel: Ich komme ja aus der Film-Ecke, und mir würde ein Film bei YouTube von den Nutzern um die Ohren geschlagen werden, wenn ich ihn im Stil eines klassischen TV-Features produzieren würde. Das bedeutet, dass Journalisten sich hier neu orientieren, neu lernen müssen, und viele fremdeln noch sehr. Nicht als passiver Nutzer von Angeboten im Internet, aber als Produzent von Inhalten.

Die erste Frage, die ich von Kollegen im Zusammenhang mit dem Reiseradio oft gestellt bekomme, ist, was ich denn damit verdiene? Im Vergleich zu meinem Tagessatz als Filmproduzent ist das natürlich lächerlich. Aber wer heute nicht anfängt, Erfahrungen sammelt und sich eine technische und inhaltliche Expertise verschafft, wird sich in drei Jahren umgucken, weil er den Zug dann verpasst hat. Jeder Journalist, der heute glaubt, bloggen und Internet-Produktion sei nur ein Zeitgeist, wird ganz böse aufwachen.

Blogger und professionell – zwei Worte, ein Widerspruch?

Bei manchen bisher ganz sicher. Da wird bei aller Liebe zur individuellen Pflege seiner Groupies versucht, mit lauwarmem Wasser zu köcheln. Wenn ich als Blogger ein größeres Publikum erreichen will, muss ich professionelle Standards haben. Stilistisch, vor allem aber auch bei Recherche und Meinung: Wenn ich etwas schlecht finde, reicht es nicht, dies nur zu sagen, sondern ich sollte auch sagen, warum. Aber es gibt auch hoch professionelle Blogger. Viele von denen haben ja auch einen journalistischen Background.

Ich finde es immer wieder beglückend, wenn ich einen Blog entdecke, der mich fasziniert, der mich überrascht, der mir neue Blickwinkel zeigt. Man wird ja auch etwas betriebsblind als Fachjournalist, und ich bedaure manchmal, dass ich mich nicht einfach unverbildet über etwas freuen kann. Dass ich einfach irgendwo hinkomme und sage: Ach, das ist jetzt aber schön – und nicht immer sofort im Kopf der Filter angeschaltet wird, mit was man es vergleichen müsste, oder ob es auch kritische Punkte gibt. Ich finde es sehr erfrischend, wenn Blogger mir diesen Blickwinkel zurückgeben des etwas naiven Reisenden, der sich freut, die Welt und die Menschen kennenlernen zu dürfen. Wenn das noch verbunden ist mit besonders tollen Fotos, Videos, oder Beschreibungen von Dingen, die man bisher übersehen hat, dann liebe ich es, diese Blogs zu verfolgen.

Vielen Dank!

Kontaktmöglichkeiten:

www.reiseradio.org „Was mit Reisen“
E-Mail:  reiseradio (at) me.com

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